Wer nicht angelt, kann keinen Fisch fangen!

1354310_webWer nicht angelt kann keinen Fisch fangen! – Lustige und wahre!!! Begebenheiten beim Angeln in Schweden

Erlebt von Lothar H. Hofmann

Wer nicht angelt kann keinen Fisch fangen – selbstverständlich? Keineswegs! Es gibt unendlich viele Gründe nicht zu angeln:

Es ist zu kalt – zu warm, der Luftdruck fällt – oder steigt, es ist zu früh – zu spät (am Tag), es ist zu früh – zu spät (im Jahr), es regnet – regnet nicht, die Sonne scheint – oder nicht, es ist windig – windstill. Es ist Frühling – Sommer – Herbst – Winter. Das Ufer ist zu nass, zu steil, zu flach, zu bewachsen, zu kahl. Es gibt zuviel Schilf oder zu wenig. Das Wasser ist zu tief, zu flach, zu steinig oder zu wenig steinig. Der Wind kommt von Norden, Westen, Osten, Süden oder überhaupt nicht….

Das sind bei weitem nicht alle möglichen Gründe – oder sollte man besser sagen: Ausreden?

Zum Beispiel gibt es grundsätzlich für einen Angler kein Wetter – wie auch für den Fisch. Natürlich ist es möglich, daß der Fisch seinen Standplatz in Abhängigkeit von Wassertemperatur und Windrichtung ändert. In der ersten Novemberwoche hatten wir einen permanent andauernden Sturm aus Süden, der warme kontinentale Luft nach Schweden brachte. Während dieser Zeit habe ich an fünf Tagen jeweils zwischen zwölf und vierzehn Uhr insgesamt 6 Hechte gefangen. Dies vom Ufer an einer nördlich gelegenen Stelle, wo der See etwa zwei Meter tief und nur zehn Meter breit ist. Warum? Weil die Fische mit dem warmen Wind in das hier ebenfalls wärmere Wasser gezogen sind. Nachbar Ingemar versuchte es – als ich ihm täglich meinen Fang zeigte – schließlich auch: Mit dem Boot an seinen Lieblingsstellen, den tiefsten des Sees. Natürlich ohne Erfolg.

Eine Schubkarre voll Angelwissenschaft

Jedesmal, wenn der Ossi von gegenüber für zwei bis drei Wochen in sein Ferienhaus kommt, versucht er auch sein Angelglück. Nur, er ist Profi (Mitglied im Anglerverein, Ausrüstung im Wert eines Mittelklassewagens, Outdooroutfit, etc.) und als solcher benötigt man nunmal eine Masse Ausrüstung – in Worten: Eine ganze, hochbeladene Schubkarre voll! Zwei Hände voll Ruten, Kisten, Köfferchen und obenauf das Echolot. Die hundert Meter zum Wasser sind jedenfalls ziemlich schweißtreibend. Dann wird umgeladen. Wasserspiegel und Oberkante des 2,50 Meter Bootes nähern sich bedenklich… Dann kommt das Echolot zum Einsatz, Richtung peilen, sämtliche Halter mit Ruten bestücken und immer dem Fisch hinterher. Die weiteren Aktivitäten beinhalten alles erdenkliche, mit einer Ausnahme: einen Fisch ins Boot holen! Und das bis heute in keinem einzigen Fall!

Was ist unverzichtbar an Ausrüstung? Falsch… auch falsch! Eine bestückte Angel, ein großer Käscher und ein geschärftes Messer. Das wars. Okay, ein Ersatzblinker, -wobbler oder Spinner in der Hosentasche macht Sinn – natürlich nur wenn er gut verpackt ist… Eine Reihe von Problemen/Versuchungen erledigen sich dadurch automatisch – und das Wandern zum Angelplatz macht viel mehr Spaß! Ausprobieren! (Hier fällt mir noch eine Ausrede ein, die ich anfangs vergessen habe: Der Angelplatz ist nicht mit dem Auto erreichbar!)

Fick du fisk?

…ist schwedisch und bedeutet soviel wie “Was gefangen?” Im Hjälten (das ist der Name des Sees, an dessen Ufer wir wohnen) gibt’s keine Fische! so die einheimischen Schweden. Warum nicht, versteht man, wenn man ihnen beim Angeln zusieht. Da sind die drei jungen Männer, die stehend (alle zusammen in einem Boot) ihre Angeln auswerfen, lautstark die Gründe ihres Pechs diskutieren und dabei noch mit dem Mobiltelefon arbeiten (Tatsache!)

Dann gibt es den Titanic-Kapitän. Nicht weil er untergeht, sondern weil er augenscheinlich stets auf der Jagd nach dem blauen Band ist. Mit Höchstfahrt geht’s zum auserkorenen Platz, dort wird fünf Minuten geangelt, dann mit Speed zur nächsten Stelle, usw. Weil es aber keine Fische im Hjälten gibt, geht’s dann auch genauso schnell wieder nach Hause!

Fick du fisk – zweiter Teil, oder: Null Fische, 60 DM Kosten, zwei frustrierende und letztendlich ein tröstendes Erlebnis

Zweimal habe ich an einem Forellenteich eines Vereins geangelt. Wohl wunderschön im Wald gelegen, aber halt ein künstlicher Teich mit Besatzfischen. Die Tageskarte kostete 30 DM – (dafür gibt’s im Laden einen ordentlichen Fisch mit freier Auswahl). Um es vorweg zu nehmen: Das Fazit dieser beider Tage: Null Fische, 60 DM Kosten, zwei frustrierende und ein „Es hätte noch schlimmer kommen können“-Erlebnis.

Frust 1: Am ersten Tag kam gegen Mittag der Kleinbus eines Heimes für Schwererziehbare mit einer Handvoll Knaben – alle circa 16, 17 Jahre alt. Lautstark verteilten sie sich rund um den See, prügelten sich ein bisschen warm und begannen dann mit der Forellenjagd. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon etwa vier Stunden vergeblich mein Glück mit Blinker und Krabben versucht. In Abständen von vielleicht zehn Minuten konnte man jetzt den folgenden Dialog hören: „Fick du fisk?“ „Nej, fick du fisk?“ „Nej!“ Problem dabei war nur, daß sich die Gesprächspartner jeweils an zwei verschiedenen Seiten des Sees aufhielten! Plötzlich, nicht weit von mir, Jubelgeschrei eines finster aussehenden Jünglings. Er hatte etwas am Haken! Wie wild kurbelte er an seiner Rolle, nur: Das typische Surren verriet, daß die Bremse auf Minimum oder weniger eingestellt war… Nach einigen Minuten – der erfolgreiche Angler kurbelte immer noch – kam einer der Betreuer herbei gespurtet. Seine Rufe „Dreh die Bremse fest!“ waren nicht auf fruchtbaren Boden gefallen. Gelandet wurde schließlich eine mächtige Forelle, der es dann mit vereinten Kräften an den Kragen ging. Ich glaube, auch großformatigere Tiere – wobei ich an Kuh oder ähnliches denke – hätten die Behandlung nicht überlebt.

Frust 2: Am nächsten Tag – irgendwie hatte mich der Ehrgeiz gepackt, etwas, was ich beim Angeln normalerweise überhaupt nicht kenne, aber „Wenn dieser unbedarfte Anfänger…“, nun, am nächsten Tag schließlich – nach erfolglosen Bemühungen während des Vormittags – kam wiederum ein Fahrzeug, diesmal ein Deutscher mit seinem etwa 12jährigen Sohn. Der Vater, schnieke, cool, platzierte sein Klappstühlchen, bestückte die Angel mit einem Wurm- oder Madentier und warf elegant aus. Ebenso sein Sohn. Der Senior war eben im Begriff sich hinzusetzen: Biss! Eine prächtige Forelle wechselte den Besitzer! Während der Vater noch mit dem nächsten Wurm fingerte – Biss beim Sohn! Um es abzukürzen: Nach präzise zwanzig Minuten fuhren die beiden mit vier dicken Forellen im Gepäck wieder ab, vermutlich zum Mittagessen… (Vermutlich hatte er seiner Frau eine Stunde zuvor gesagt „Wir fahren eben mal ein paar Fische holen. Wieviel Leute sind wir zum Mittagessen? Vier? OK!“)

Nicht unerwähnt bleiben soll aber mein anfangs erwähntes „Erfolgserlebnis“. Zu Beginn des zweiten Tages ging ich zu einem der Stege wie üblich mit minimaler Gerätschaft: In der einen Hand eine Rute, in der anderen einen Eimer mit der Teleskopangel, einer Zweiliterflasche Cola und einer Tüte Krabben (Das Messer und der „Fischklopfer“ waren in der Hosentasche). Ich legte die Rute ab, stellte den Eimer hin und wollte als erstes einen Schluck trinken. Nur störte das Entnehmen der Colaflasche die Gleichgewichtsverhältnisse im Eimer so dramatisch, daß dieser kippte und meine schöne Teleskopangel mit leisem Platsch im Wasser verschwand! Wenn man weiß, daß an diesem (künstlichen) See die Uferkante senkrecht auf etwa sechs Meter Tiefe abfällt, wird man meine Gefühle nachempfinden können… Nun, das „Erfolgserlebnis“ bestand letztendlich darin, daß ich nach etwa einer halben Stunde die eine Angel an der anderen hatte, was denn auch der letzte Biss des Tages bleiben sollte…

Dem Fisch ist deine Ausrüstung egal…

Womit hat man eigentlich vor 100, 1000 oder 2000 Jahren geangelt? Den Beruf des Fischers zu damaligen Zeiten belegt nicht nur die Bibel. Wie kam man im Mittelalter ohne Fischfinder auf Echolotbasis oder in der Steinzeit ohne elektronische Bissanzeige zurecht? Was haben nur die alten Römer ohne zwölffach kugelgelagerte Rollen angestellt?

Schauen wir mal einen Tausender voraus. Ich könnte mir vorstellen, daß die Angelvereine ihren Besatzfischen kleine Chips in die Rückenflosse knipsen. Diese vermitteln ihre Position an Satelliten. Von denen wiederum beziehen rund um das Gewässer positionierte Laserkanonen ihre Informationen, um auf das Wasser kleine Punkte zu projizieren und so den Standort der Forelle zu markieren. Wer einen Chip am Eingang abgibt erhält 50 Eurasia zurück. Der Angler übrigens verfügt an seiner Rute (mit automatischer Abschußvorrichtung) über einen kleinen Monitor: Dieser zeigt das Bild der in dem Wobbler enthaltenen Minikamera. Weiterhin ist im Wobbler ein winziger Außenborder installiert, der über einen Joystick unterhalb der Rolle mit dem rechte Daumen zu steuern ist. Fiktion? In tausend Jahren sprechen wir uns wieder!

Zurück zur Gegenwart. Daß der Handel mit Angelzubehör ein Wahnsinnsgeschäft mit der Dummheit der Menschen ist, zeigt spätestens die 1999 im ABU-Katalog (schwedische Nobelmarke) erschienene Abhandlung über das Bissverhalten in Abhängigkeit von Wassertemperatur und Blinkerfarbe. Mit wissenschaftlicher Akribie versuchte hier tatsächlich jemand zu belegen, daß der Fisch bei 10º Wassertemperatur den grünlichen Blinker dem gelblichen vorzieht, bei 12º dagegen den gelblichen dem pinkfarbenen, usw. Alles belegt durch wunderschöne Grafiken und Bildchen für eine Temperaturspanne von ca. 15º, die durch sieben verschiedenfarbige Blinker des selben Modells abgedeckt wurde. Was Blinkern recht ist, ist Wobblern und Jiggs billig. Wahrscheinlich hatte sich ein schlauer Mensch bei ABU die Frage gestellt: „Wie versiebenfachen wir unsern Umsatz?“ Bei dem Teil der Klientel, die auch glaubt, daß die Länge des Fanges proportional zu der Anzahl der Kugeln im Rollenlager ist, dürfte ihm dies gelungen sein. Sahnehäubchen: Wie zufällig wurde im selben Katalog ein hochkompliziertes, unverschämt teures Wasserthermometer angeboten, das beim Absinken automatisch alle paar Zentimeter die Temperatur elektronisch mißt und speichert. Im nächsten Katalog soll es die entsprechende Software mit dem zugehörigen Notebook geben…

Voll im Trend liegt auch Casio, japanischer Hersteller von u.a. Uhren. Casio bietet eine Armbanduhr an, auf der man die Mondphasen, Ebbe und Flut sowie den Sonnenauf- und Untergang ablesen kann. Weiterhin wird das „moon age“, was immer das sein mag, angegeben. Diese Daten bilden dann die Grundlage für eine niedlich anzusehende Grafik, die durch hüpfende Fischsymbole gute und schlechte Angelzeiten dokumentiert. Bleibt nur zu hoffen, daß die Fische auch so eine Uhr tragen!

Halte dem Fisch etwas für ihn sichtbares und bewegliches vor die Nase! Egal was, nur: Ein Haken muß dran sein! Hast du dann noch den richtigen Zeitpunkt erwischt, so gehört der Fisch dir! Ob es ein Feuerzeug oder Haustürschlüssel ist spielt keine Rolle. Versuchs mit einem Flaschenöffner oder einer Mundharmonika – du wirst nie wieder ein Teil von ABU oder sonstwem kaufen!

Iiieh – den kann man doch nicht essen!

Frag mal einen Schweden nach einem Braxen! Siehe oben! Nun, Braxen (Brassen) sind bis zu klodeckelgroße in Schwärmen auftretende Zeitgenossen, die man, so man den richtigen Moment erwischt, serienweise ernten kann. (Am besten mit klumpenweise Teig.) Allerdings sind die Zahl der im Braxen enthaltenen Gräten Legion… Große, dicke in der Mitte bis zu haarfeinen drumherum. Alles reichlich vertreten. Was tun mit solch einem Fisch? Erste Möglichkeit: Kochen und einlegen à la Brathering. Innerhalb weniger Tage hat der Essig ganze Arbeit geleistet und die störenden Teile in Nichts aufgelöst. Zweite: Kochen und einige Male durch die feinste Scheibe des Fleischwolfes jagen… Die besten Fischklößchen, die ich bisher gegessen habe, stammen vom Braxen! Bleibt noch zu erwähnen, daß man sinnvollerweise in beiden Fällen die großen Gräten nach dem Kochen manuell entfernt. Wir waren aber bei den Schweden. Diese haben nämlich vergessen, daß in den schlechten Nachkriegsjahren weder Braxen noch zentimetergroße (-kleine) Rotaugen vor ihnen sicher waren. Damals hätten sie geantwortet: Ja! Wo? Soviel zur Vergesslichkeit des homo sapiens. Apropos kochen und essen: ich weiß nicht warum, aber Fisch gabs bei uns immer nur aus der Pfanne, vom Grill oder als Klößchen. Bis ich eines Tages im Second-hand-Laden eine gebrauchte, nur äußerlich leicht angerostete ABU-Räucherdose inklusive einer Tüte original ABU-Räuchermehl für etwa zwei Euro erstand. Für das gleiche Neu-Teil zahlt man im Laden einen knappen Fünfziger. So wurden denn die nächsten Hechte mariniert und eine halbe Stunde geräuchert: „Unbeschreiblich“ würde den Geschmack wie das Wort ja auch sagt nur annähernd beschreiben, deswegen: Unbedingt selbst ausprobieren! Jede flache, fischgroße und verschließbare Metalldose und ein kleiner Spiritusbrenner sowie ein Gitter zum Auflegen des Fisches und etwas feines Sägemehl tuns auch!

Es gibt schon zutrauliche Tiere…

Da war die Möwe am Nissan in Falkenberg, die sich meinen Krabbenköder in der Luft abholte, aber nach einer Landung in Albatrosmanier vom Haken befreien konnte…

Oder die Ente, die sich widerstandslos mit dem Käscher fangen ließ, dann allerding verschreckt schaute und letztendlich ein enormes Gezeter anfing…

An meinem Steg hatte ich einen großen Braxen gefangen und in einen Eimer gelegt. Als ich wenig später vom Teignachschub holen zurück kam, schaute ich in den Eimer: Leer! Ein Stück weiter am Ufer saß eine fette Krähe und war mit dem Zerrupfen des Fisches beschäftigt…

Bei dem selben Steg steht am Ufer eine Bank, oder besser gesagt, eine Sitzgelegenheit aus zwei Baumstümpfen und einem Brett. Eines stillen Abends saß ich darauf, neben mir ein Rucksack, in dem ich ein paar Gerätschaften und Köder aufbewahrte. Plötzlich schubste mich der Rucksack an! Aus einem Loch an der Rückseite schaute ein schöner brauner Eichhörnchenschwanz heraus! Ich zupfte leicht an dem Schwanz, blitzartig war dieser im Rucksack verschwunden, dafür schaute ein Eichhörnchenkopf heraus, sah mich, keckerte unwirsch und verschwand dann nebst anhängendem Eichhorn mit vehementem Tempo auf dem nächsten Baum…

Übrigens hat mein Hund auch kriminelle Angewohnheiten. Obwohl sonst kein Vegetarier stibitzt er immer wieder gerne bei günstigen Gelegenheiten meinen Teigklumpen um ihn genüßlich zu verspeisen…

Dann war da noch die Kuh…: Als ich eines Tages am Emån angelte begann mein Hund plötzlich ein wütendes Gebell – Grund war eine Kuh, die gemächlich aus dem etwa 50 m entfernten Wald trat (zur Erklärung: Auf einigen Kilometern Länge gehört das Gelände am Emån einem Bauern, der dort auch seine Tiere weiden ließ, was ich aber nicht wußte). Normalerweise habe ich kein Problem mit Kühen, als aber aus der einen Kuh immer mehr Kühe wurden und schließlich etwa 20 der gehörnten Vierbeiner auf mich zu trotteten wurde mir doch etwas mulmig zu mute. Von meinem Hund war nichts mehr zu hören, er stand mittlerweile dicht hinter mir… Die Tiere kamen näher – ich stand mit dem Rücken zur Wand oder besser einen Meter vom Emån entfernt, plötzlich: Panik! Da fehlte doch was! Die Kühe waren allesamt Stiere. Wohl nur Jungbullen, wie ich später erfuhr, aber wer kennt sich in der Landwirtschaft schon so genau aus… Ich packte Angel und Käscher (siehe das Kapitel mir der Schubkarre!) und lief, wie ich in meinem ganzen Leben noch nicht gelaufen war…

Ingemars Kampf mit Gott und der Welt

Ingemar, schwedischer Junggeselle in den Siebzigern, lebt in der Nachbarschaft in einem nur mit schwerem Atemschutz zu betretenden Häuschen. Regelmäßig holt er seine Hechte aus einem großen, acht Kilometer entfernten See. Ob zehn Kilo oder hundert Gramm – Ingemar nimmt alles, was ihm an den Haken kommt. Er selbst isst keinen Fisch, dafür aber seine Katzen mit großer Begeisterung. Ingemar angelt ausschließlich mit einer Art Holzhaspel, wie man sie gemeinhin zum Aufwickeln der Wäscheleine benutzt. Seine Standardblinker könnte man – ohne Haken – gut und gerne als Schuhlöffel benutzen. Apropos Haken, man sieht Ingemars Modell gelegentlich in Aktionfilmen, eine andere Bezeichnung ist Wurfanker… Auch sein Käscher ist gigantisch. Ohne Netz könnte man ihn für den Feuersprung der Löwen im Zirkus einsetzen.

Nie vergessen werde ich den Tag, als Ingemar mächtig rudernd in einem Boot saß. Er wollte auf den See hinaus. Als ich etwa fünf Minuten später wieder zu ihm schaute war er immer noch unverdrossen zugange. Ihm war eines entgangen: Die Verbindung zwischen Boot und Ufer in Form einer dünnen aber sehr stabilen Kette!

Ingemar hat eine in Schweden übliche Besman-Fischwaage: Eine Eisenstange mit Skala, einem beweglichen Holzgriff und einer Art Fleischerhaken. Nach dem Anhängen des Fisches und Ausbalancieren mit dem Handgriff kann man auf der Skala das Gewicht ablesen – wenn man kann! Die Stange läuft durch eine etwa ein Zentimeter breite Führung am Griff. Ohne Anhängsel zeigt der linke Rand die Null-Kilo-Marke an, der rechte etwas mehr. Da es sich um eine Art logarithmische Skala handelt, macht dieser Unterschied im höheren Gewichtsbereich schon ein paar Kilo mehr aus (Die Skalenstriche rücken immer enger zusammen). Ein Phänomen, das Ingemar bis heute nicht versteht oder wahrhaben will – trotz mehrfacher Erklärversuche. Seine Sechs-Kilo-Hechte sind nach wie vor knapp neun Kilo schwer…

Auch mit dem Wurfangelset, das er zu seinem Siebzigsten bekam, hatte er so seine Probleme. Nachdem beim Ausprobieren am Ufer der Haken maximal zwei Meter weit im Wasser, dann in einem Busch und schließlich in seiner Hose landete, habe ich das Set nur noch ein einziges Mal gesehen. Ich hatte Ingemar eingeladenmit zu einem wunderschönen Angelplatz unter einer alten Brücke am Emån zu fahren. Ingemar nahm seine Geburtstagsangel mit. OK, dachte ich, vielleicht kapiert er es ja heute. Angekommen ließ ich ihn erst einmal gewähren. Wieder platschte der Blinker unmittelbar vor seinen Füßen ins Wasser. Aufgegeben habe ich das Unternehmen Wie-lehre-ich-Ingemar-angeln? als ich sah, daß an der Rolle seiner Angel keine Kurbel mehr war… Ingemar störte dies nicht weiter. Den Rest des Tages verbrachte er mit Pimpel-Versuchen von der Brücke aus (Pimpeln nennt man in Schweden das Eisangeln – stippen).

Stöpsel ziehen

An manchen Angelplätzen möchte ich gerne mal den Stöpsel ziehen! Auf dem Seeboden sollte es doch ein leichtes sein, sich den Grundstock für ein kleines Anglergeschäft oder einem Antiquitätenladen einzusammeln. Manchmal glaubt man wirklich, „daß dort unten einer wohnt“! Hier eine kleine Liste meiner diesbezüglichen Erfolge im Hjälten: Weihnachtsbäume (mit Lametta), Schuhe, Dachziegel, Flaschen (!), Dosen, Kaffeetassen, Strümpfe, Sandalen, Handschuhe, Autoreifen, Reusen – ich warte auf den Tag, an dem der alte Volvo anbeißt…

Apropos Angelladen: Über die schon erwähnten Brücke am Emån führt in cirka fünf Meter Höhe eine Telegrafenleitung. An dieser findet das Anglerherz mit Ausnahme von Rute und Rolle so ziemlich alles, was es an Blinker, Wobbler oder Spinner begehrt. Wie hieß es in der Fußballreportage so treffend: Er nutzte den Platz in seiner vollen Höhe…!

Natürlich holt man immer wieder mal einen alten Blinker, eine Leine oder ähnliches heraus. Optimal war aber die Ausbeute, als ich einmal einen Hecht am Haken hatte. An Land gezogen stellte ich fest, daß von dem Haken im Hechtmaul aus eine Leine ins wasser ging, an deren Ende sich schließlich noch ein gut erhaltener Blinker befand… (Dies geschah übrigens in Gegenwart von zwei glaubwürdigen und nicht bezahlten Zeugen…)

Eine ähnliche Spitzenleistung war die Dose, die ich im Aufreißring gehakt hatte. Ich biete folgende Wette an: Wir werfen eine Dose zwanzig Meter weit ins drei Meter tiefe Wasser. Dann hast du einen ganzen Sommer Zeit, sie zu angeln. Gelingt dir dies, ja, dann darfst du sie behalten…

Aber man fängt ja nicht immer was man will oder soll. Besonders denke ich hier an einen Tag am Emån, wo ich innerhalb von knapp zwei Stunden sieben (in Worten: sieben!) große Id mit Krabben erlegt hatte. Jetzt reichts, dachte ich, und holte aus meinem Auto die Drei-Meter-Teleskoprute mit Wobbler. Wozu gibt es denn so schöne Barsche und Hechte im Emån? Ausgeworfen, nochmal, ein drittes Mal: Biss! Ich war gespannt, was ich an der Angel hatte. Dem Widerstand nach konnte es ein kleiner, vielleicht zwei oder drei Kilo schwerer Hecht sein. Muß ich noch erwähnen, daß der Hecht sich im Käscher als Id Nummer acht entpuppte? Angeblich sind Id Friedfische…

Mein Freund und Nachbar Tore – leider ist er viel zu früh verstorben – fing einmal eine Flasche Gammel Dansk! Das ging folgendermaßen zu: Wir saßen jeder auf seinem Steg – etwa zwanzig Meter auseinander – und versuchten, ein paar Braxen zu holen, Tore hatte das Häuschen neben meinem erst im selben Sommer gekauft und war von Kopenhagen dorthin gezogen. Gefangen hatte er bis dato im Hjälten noch nichts. Jedenfalls, Tore mußte zur Toilette. Da er kleinere Geschäfte immer an Ort und Stelle erledigte wußte ich daß es länger dauern würde. Schnell lief ich uns Haus und holte eine leere Flasche Gammel Dansk (dänisches Nationalgetränk und „Medizin“ – hochprozentig!), füllte sie mit Wasser, holte Tores Pose ein, Haken in die Flasche, zugestöpselt, rausgeworfen – fertig! Schon kam Tore. Von weitem rief ich ihm zu „Bei dir hat einer gebissen, gerade jetzt!“ Tore setzte sich rasant in Bewegung, seine Augen leuchteten, aufgeregt schnappte er die Angel und begann zu kurbeln. Dann die Enttäuschung -eine Flasche am Haken! Gefoppt vom Nachbarn! Und das allerschlimmste: Eine leere Flasche – wenn man vom Wasser darin mal absieht. Für einen vollen Gammel Dansk hätte er schon einiges geopfert, aber so… Heute tuts mir fast ein bisschen leid…

Spezialisten

Mein Sohn. Erstmals seit langer Zeit ruderte er frühmorgens mit einem gleichaltrigen Freund zur Hechtjagd. Ich hatte ihm ein Angel mit angeknotetem Wobbler geliehen (Ich benutze keine Wirbel, Vorfächer und Patenthaken. Mehr dazu später.). Gegen Mittag kamen die beiden wieder zurück. Mein Sohn hatte einen Hecht im Gepäck und an meiner Angel blinkte ein Blinker! Wie kommt denn der Blinker von deinem Freund an meine Angel? Er wollte mal mit dem Wobbler angeln und ich mit dem Blinker. Da haben wir getauscht. Getauscht? Ja, wir haben die beiden abgeschnitten… Viele Wege führen nach Rom!

Der Freund eines Freundes. Er brachte es fertig – wie, wissen nicht mal die Götter – sich einen Haken so in die Backe (die im Gesicht) zu jagen, daß er ihn im Mund abknipsen mußte, um ihn wieder herausziehen zu können… (Verbürgte Geschichte!)

Die Frau eines Freundes. Sie angelte mit Pose auf Forellen. Als sie die Angel auf dem Steg ablegte nutzte ein Fisch die Gelegenheit und verschwand samt Angel auf Nimmerwiedersehen. (Die Bremse ist zum Bremsen da…)

Ich selbst. Meine Devise: Der Wobbler gehört an die Schnur – direkt und ohne Wirbel und ähnliche Kleinteile. Nun hatte ich im Hjälten schon mehrfach einen wirklich kapitalen Hecht gesehen. Skeptisch wegen meiner 0,35er Leine befestigte ich ein Stahlvorfach zwischen meinem Frenzy und ihr. (Frenzy ist der Wobbler mit Fanggarantie…) Und tatsächlich erwischte ich den Hecht. Dieser zog gewaltig und plötzlich riß die Leine – dachte ich. Nachgeschaut: Nein, es war nicht die Leine, die vordere Öse des Vorfaches hatte sich geöffnet! Der Hecht schwimmt noch immer im Hjälten. Was er mit meinem Wobbler angestellt hat, weiß ich nicht, wohl aber, daß dies das letzte Vorfach an meiner Angel war.

Ich selbst (2). Rund um meinen Steg befinden sich Bäume – das heißt, natürlich nicht vor ihm im Wasser. Schön sind sie anzusehn, aber manchmal auch hinderlich. Eines Tages hatte ich die Leine über einen der äußersten Äste eines Uferbaumes geworfen. Der ABU-Atom baumelte wenige Zentimeter über dem Wasser. Kein Problem mit dem Boot – wenn man nicht so faul ist wie ich! Den kriegst du so, glaubte ich. Langsam zog ich die Leine an bis der Blinker direkt an einem kleineren Ästchen hing. Jetzt ein heftiger Ruck, der Blinker löste sich und schoß mit eleganter Flugbahn mitten ins Geäst des Baumes, der direkt hinter dem Steg steht. Dort – in schätzungsweise sechs bis acht Meter Höhe – hängt er heute noch!