Pippi Langstrumpf auf Kildinsamisch
Kildinsamisch? Was ist das für eine Sprache und woher stammt sie? In unseren Breitengraden weiß darauf selten jemand eine Antwort. Tatsächlich wird Kildinsamisch über dem Polarkreis auf der Kola-Halbinsel in Russland gesprochen.
Obwohl es nur noch etwa 300 Sprecher*innen gibt, wurde Pippi Langstrumpf ins Kildinsamische übersetzt. Wie kam es dazu? Auf die Frage, ob sie in Ägypten war, antwortet Pippi bestimmt: „Ja, da kannst du Gift drauf nehmen! Ich war überall auf dem ganzen Erdball (…).“ Dass sie gerne schwindelt, wissen wir. Doch wer würde ihre Aussage heute bezweifeln, wo sie in 78 Sprachen übersetzt ist und somit durch die ganze Welt zieht.
Wie aber kam sie nun auf die Kola-Halbinsel? Tatsächlich ist dies drei starken Frauen zu verdanken.
Aleksandra Antonova (1932-2014) – Autorin, Dichterin, Lehrerin und Sprachaktivistin – suchte ein für alle Altersgruppen geeignetes Buch, um es in die bedrohte Sprache Kildinsamisch zu übersetzen.
Jelena Jakovleva – Vizevorsitzende im Verband der Kola-Sami – schlug daraufhin Pippi Langstrumpf vor. Als Aleksandra das Buch auf Russisch las, gefiel es ihr so gut, dass sie sofort mit der Übersetzung begann.
Elisabeth Scheller, Sprachforscherin an der Arktischen Universität in Tromsø, Norwegen, redigierte die kildinsamische Übersetzung nach dem schwedischen Original. Und folgte damit ihrem Prinzip, dass akademische Forschung einen konkreten Nutzen für die Gesellschaft haben sollte.
Pippi und Aleksandra gaben sich mit der Übersetzung jedoch nicht zufrieden. Bald stellte sich nämlich heraus, dass viele Begriffe, die in dem Kinderbuch auftauchten, keine Entsprechung in den veralteten, kildinsamischen Wörterbüchern hatten. Es fehlten, kurz gesagt, die Wörter der modernen Alltagssprache. Hartnäckig machte sich Aleksandra an die Erstellung eines neuen Wörterbuches. Diese neue Ausgabe enthält Wörter, Beugungen und Sätze von Pippi, um zu zeigen, wie die Grammatik funktioniert.
Am Internationalen Tag der Muttersprache ging der DSFV in der deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt der Frage nach, ob das stärkste Mädchen der Welt die bedrohte Sprache Kildinsamisch rettet. Wenn dies gelingt, dann sicher auch dank der vereinten Kräfte von Aleksandra, Jelena und Elisabeth.
Das Buch ist käuflich nicht erhältlich und überdies vergriffen. Die kostbare Ausgabe haben wir Elisabeth zu verdanken, die uns ein Restexemplar spendete, als sie von unserer „Lebenden Bibliothek“ und dem ehrgeizigen Ziel erfuhr, alle Übersetzungen für unser interkulturelles Leseprojekt „Die Welt braucht eine Pippi-Perspektive“ zu versammeln.
Elisabeth leitete auch unsere Anfrage einer Video-Leseprobe an das „Zentrum für Nordische Völker“ (GOBU) in Murmansk weiter. In kildinsamischer Tracht las Jelena für uns die Passage, in der Pippi Langstrumpf in die Villa Kunterbunt einzieht.
Viel Freude beim Zuhören!
Tusen tack till Aleksandra, Jelena och Elisabeth!
Jelena Jakovleva liest aus Pippi Langstrumpf
© GOBU ”Center för nordliga folk”, Murmansk, Kola-Halbinsel, Russland